Eine Essenz

Theater als Bildungsanstalt, in der der Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes der Reflexion teilhaftig wird, indem er sieht, wie andere etwas sehen und darauf reagieren. Vorläufer dafür war die Teichoskopie, in der der Zuschauer hört, was ein anderer schildert, das Geschilderte aber selber nicht sieht. Die philosophische Synthese dieser Vorgänge wurde in dem Aufklärerlehrsatz formuliert: „esse est percipi“, das heißt, man existiert sozial nur in den Augenblicken des Wahrgenommenwerdens durch andere. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts sind diese reflexiven Formen als grundlegend für die Entstehung von Öffentlichkeit verstanden worden. Die ersten englischen Zeitungen der 1710er Jahre hießen „Spectator“ und „Observer“, also „Zeitzeuge“ und „Bewerter der Zeitzeugenberichte“, was später in der Philosophie der journalistischen Arbeit als strikte Trennung von Ereignisbericht und Kommentar verbindlich wurde. In heute zeitgerechter Sprache ist das die Unterscheidung von Beobachtern 1. und 2. Ordnung.
Quelle

Experimentelle Soziologie: Wörlitz als Zukunftslabor für die ästhetische Bildung des Menschengeschlechts – Abschnitt in:

Wörlitz. Eine Annäherung

Wörlitz

Buch · Erschienen: 01.01.2017 · Herausgeber: Weiß, Thomas

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