Buch Lock-Buch Bazon Brock, gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken

Lock-Buch Bazon Brock, gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken, Bild: Titelseite. Gestaltung: Gertrud Nolte.. + 3 Bilder
Lock-Buch Bazon Brock, gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken, Bild: Titelseite. Gestaltung: Gertrud Nolte..

Baustelle. Den Plan des Baus, der nie fertig wird, nennt man Biographie. Inzwischen ist jedermann biographiepflichtig – Selbst bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz hat man vorzulegen, auf welchen Plan des Lebens man sich verpflichtet. Man entwickelt seine Biographie mit Blick auf die Zukunft, auf die Erwartungen hin, die man bei anderen zu wecken versucht. Man nährt diese Erwartungen aufs Kommende durch Hinweise aufs Gewesene, auf die eigenen Werke und Tage.

Aus dem Logbuch wird so ein „Lockbuch“.

Das LOCKBUCH BAZON BROCK schließt einen Lese-Zirkel zwischen Brocks Arbeit als auffälliger Zeitgenosse, als Akteur der Kulturszene seit Ende der 5oer Jahre und den Fragen, die er provoziert. Wie er wurde, was er ist: weder Wissenschaftler noch Künstler, weder Lehrer noch Lenker - eben ein typischer Navigator zwischen schöpferischer Kulturbarbarei und der Ästhetik des Unterlassens.

Lock Buch Bazon Brock.

Präsentiert in Bilderbögen und Textpfeilen
von Helmut Bien, Gertrud Nolte, Anna Steins und Fabian Steinhauer

Erschienen
1999

Autor
Brock, Bazon | Steinhauer, Fabian

Verlag
DuMont

Erscheinungsort
Köln, Deutschland

ISBN
3-7701-5436-3

Umfang
240 Seiten mit etwa 200 Abbildungen, 21*29,7cm

Einband
kartoniert

Biographie Design

Gottfried Benn definierte in seinem berühmten Vortrag „Altern als Problem für Künstler“: „Wenn etwas fertig ist, muß es vollendet sein.“ Das Werk sei also die Einheit von Beenden und Vollenden einer Arbeit. Das ist eine entscheidende Forderung vor allem im Zeitalter prinzipiell endloser Werkprozesse, im Zeitalter der Bilderflut in allen Medien. 

Aus der Einleitung zum Ausstellungskatalog: Die Macht des Alters. Köln 1998.

Zu altern heißt, die alltäglichen Anstrengungen zur Bewältigung des Lebens vorrangig unter dem Aspekt formaler Organisation zu sehen – anstatt jede Entscheidung mit Herz und Schmerz und im Gedanken an die tiefsten Wahrheiten und Ideale zu treffen. Tun, was getan werden muß – vor allem eine Sache, seine Sache fertigzumachen, lautet die Empfehlung, die schon die „Lebenskunst“ der antiken Stoiker auzeichnete. Wer lange leben will, muß mit einer hinreichenden Oberflächlichkeit die Pflichten des Tages kontinuierlich und konsequent absolvieren – ohne Pathos und ohne Frustration. Gerade die größten Werke verdanke sich diesem nüchternen Arbeitsethos -–nur Dilettanten schwärmen für den glücklichen Zufallswurf.

ebd.

Verweis auf sich selbst

Die Künstler sind Aussagenurheber, die, im Unterschied zu denen der Wissenschaft und aller anderen gesellschaftlichen Institutionen, ihren Aussagenanspruch ausschließlich mit Verweis auf sich selbst begründen, nicht mit Verweis auf repräsentative Programmatiken; nicht mit Verweis auf Legitimation per Mehrheitsbeschluss; nicht durch konsensgetragenen Entwicklungsstand naturwissenschaftlicher Arbeit oder geisteswissenschaftlicher Auslegekunst. Wenn irgendwo noch vom Humanum gesprochen werden kann, dann im Bereich der Künste oder vielmehr der Künstler, die zu behaupten wagen, was dem Subjekt als Problematik seines eigenen Welt- und Selbstbezugs deswegen bedeutsam ist, weil diese Probleme von keiner Wissenschaft, von keiner Kosmologie, von keinem gesellschaftlichen Selbstverständnis beruhigt werden können. 

Hinter uns steht kein Volk

Lebensinszenierung

Es hat lange gedauert, bis man entdeckte, daß jeder Mensch eine Biographie hat, nicht nur Staatengründer, Religionsstifter und Künstler. Man wurde geradezu biographiepflichtig. Das Leben erschien erst beachtenswert, wenn jemand es der Erzählung für würdig hielt oder man es selbst erzählen konnte (als Autobiographie). Die entscheidende Wirkung hatten aber Biographien, weil sie dazu anhielten, das eigene Leben unter Gesichtspunkten zu planen, die eine strukturierte Erzählung überhaupt ermöglichten. Mit dem Lebensplan und seiner Verwirklichung wurde das Leben selbst zu einem Werk. Die Biographiepflichtigkeit von Jedermann wird vor allem ausgewiesen durch die Anforderung, jeder Bewerbung einen „Lebenslauf“ beizufügen. Seine Abfassung zwingt den Bewerber zumindest ansatzweise, Biographie als Zeitform anzuerkennen. Die Zeitform manifestiert sich in der Verknüpfung des bisherigen Lebens in der Rückschau mit der Voraussicht in die Zukunft. Ein erfolgreicher Bewerber garantiert Kontinuität des bisher Erreichten, also die Kontinuität einer Entwicklung, von der man sich viel versprechen kann. 

Aus: Die Macht des Alters. Köln 1998.

Mittleres Talent

Für mich, Bazon Brock, will ich gerne akzeptieren, als ein bloß mittleres Talent zu gelten. Denn wäre ich mehr, so hätte ich nur noch mehr Arbeit daran, mich selbst zu fesseln; mich davon abzuhalten, irgendwelche großartigen künstlerischen Konzepte, philosophischen Spekulationen oder gesellschaftspolitischen Ideale als Handlungsanleitungen misszuverstehen und deren Durchsetzung im Alltagsleben der Menschen zu erzwingen.

Aus: Selbstfesselungskünstler zwischen Gottsucherbanden und Unterhaltungsidioten. In: Die Re-Dekade. Kunst und Kultur der 80er Jahre. München 1990.

Selbstreferenzialität

Wann immer ein Autor seine Aussagen mit Verweis auf sich selbst begründet, geht er wie ein Künstler vor. Als Künstler sollte man generell alle Aussagenurheber verstehen, die sich nicht darauf berufen, durch Approbation, Delegation oder Repräsentation legitimiert zu sein – unabhängig davon, in welchem Kontext die Aussagenansprüche entwickelt wurden und in welchen Medien sie vorgetragen werden.

Aus: Das Einzige, was Menschen in Zukunft gemeinsam haben werden, sind Probleme. In: ebd.

Abseits

Wir müssen die Möglichkeit kritisch in Betracht ziehen, daß sich die Universität, ähnlich wie die mönchische Klostergemeinschaft, als nicht mehr zeitgemäße soziale Institution erweist, daß die Universitäten zu öffentlich finanzierten Außenstellen der Konzerne werden, daß die Professoren die Ateliers, Labors, Seminare als bloße Erweiterungen ihrer Privatwohnung betrachten. Wer diese Gegebenheiten nicht zu akzeptieren bereit ist, weil er ahnt, daß den außeruniversitären Gemeinschaften schlußendlich die gleichen Problemstellungen wieder erwachsen werden, muß bis auf weiteres das Stigma ertragen, eine atavistische Kuriosität, ein Störenfried, ein Besserwisser, ein Unnahbarer zu sein.

Aus: Studio Line. Die Universität als Kulturferner Ort. In: ebd. 

Ex praeterito praesens prudenter agit, ni futura aktione deturpet !! Höre: Deine Veränderungsangst wirst du nur überwinden, wenn du die Vergangenheit als eine ehemalige Zukunft vergegenwärtigst - und wenn du das, was vor dir liegt, ob du es fürchtest oder ersehnst), als eine zukünftige Vergangenheit zu betrachten lernst. Gedächtnis, Intelligenz, Vorausschau:  Bazon Brock, Lehrer des Volkes, Bild: Wandbild und Postkarte, Fachbereich 5, Universität Wuppertal: Hagen Dirk Sanders, 1992.
Ex praeterito praesens prudenter agit, ni futura aktione deturpet !! Höre: Deine Veränderungsangst wirst du nur überwinden, wenn du die Vergangenheit als eine ehemalige Zukunft vergegenwärtigst - und wenn du das, was vor dir liegt, ob du es fürchtest oder ersehnst), als eine zukünftige Vergangenheit zu betrachten lernst. Gedächtnis, Intelligenz, Vorausschau: Bazon Brock, Lehrer des Volkes, Bild: Wandbild und Postkarte, Fachbereich 5, Universität Wuppertal: Hagen Dirk Sanders, 1992.
Erster Versuch, sich festzulegen. Visitenkarte bei Eröffnung der Galerie Dumont Köln, 1959, Bild: (Vorderseite).
Erster Versuch, sich festzulegen. Visitenkarte bei Eröffnung der Galerie Dumont Köln, 1959, Bild: (Vorderseite).
Visitenkarte Rückseite : "Wollt ihr das totale Leben", Bild: Rückseite: Wollt ihr das totale Leben.
Visitenkarte Rückseite : "Wollt ihr das totale Leben", Bild: Rückseite: Wollt ihr das totale Leben.
Fünfzehn Rezepte für alle, die leichter Leben wollen !!, Bild: Demo-Banderole, documenta 4, 1968 (Besucherschule).
Fünfzehn Rezepte für alle, die leichter Leben wollen !!, Bild: Demo-Banderole, documenta 4, 1968 (Besucherschule).
Bazon Brock mit der "Ästhetik als Vermittlung", 1977
Bazon Brock mit der "Ästhetik als Vermittlung", 1977
Bazon Brock, was machen Sie jetzt so?, Bild: Titelseite.
Bazon Brock, was machen Sie jetzt so?, Bild: Titelseite.
Kopfstand, Aktion „24 Stunden-Happening“, Bild: Villa Jährling/Galerie Parnass, Wuppertal 05.06.1965. Foto © Ute Klophaus.
Kopfstand, Aktion „24 Stunden-Happening“, Bild: Villa Jährling/Galerie Parnass, Wuppertal 05.06.1965. Foto © Ute Klophaus.
Vermittlung per Kopfstand, Bild: Aktion "24 Stunden".
Vermittlung per Kopfstand, Bild: Aktion "24 Stunden".
,,Persönlichkeit werden...", Ausstellung in Hamburg, 1978
,,Persönlichkeit werden...", Ausstellung in Hamburg, 1978
Persönlichkeit werden , Rückseite, Bild: Rückseite.
Persönlichkeit werden , Rückseite, Bild: Rückseite.
Kinderzeichnung während der Aktion: "Persönlichkeit werden"
Kinderzeichnung während der Aktion: "Persönlichkeit werden"
„Ich inszeniere Ihr Leben“, Ausstellung und Action Teaching im Kölnischen Kunstverein, 1970, Bild: Mit theatralischen Mitteln den Alltag dramatisieren: Lebenskunstwerk..
„Ich inszeniere Ihr Leben“, Ausstellung und Action Teaching im Kölnischen Kunstverein, 1970, Bild: Mit theatralischen Mitteln den Alltag dramatisieren: Lebenskunstwerk..
Porträtfoto, 1986
Porträtfoto, 1986
Persönlichkeit werden … zum höchsten Glück auf Erden. Wagt es!, Bild: 18. Ausstellung im Haus Dt. Ring, Hamburg, 17. Oktober - 3. Dezember 1978.
Persönlichkeit werden … zum höchsten Glück auf Erden. Wagt es!, Bild: 18. Ausstellung im Haus Dt. Ring, Hamburg, 17. Oktober - 3. Dezember 1978.
Komitée zur Abschaffung des Todes, Kunsthaus Hamburg, 1970
Komitée zur Abschaffung des Todes, Kunsthaus Hamburg, 1970
Werbung für Rasierklingen, ca. 1965
Werbung für Rasierklingen, ca. 1965
Deutschlands schönster Dichter
Deutschlands schönster Dichter
22000 Seiten umfaßt das voluminöse Werk des avantgardistischen Schriftstellers Bazon Brock (26 J.). Wie weiland Diogenes in sein Faß, hat er sich zwischen Betonrahmen zurückgezogen und protestiert in Frankfurt gegen die Westentaschenformate im deutschen Buchhandel., Bild: Aktion "Das Blätterbuch - Gymnastik gegen das Habenwollen", Frankfurter Buchmesse, Oktober 1962 © AP.
22000 Seiten umfaßt das voluminöse Werk des avantgardistischen Schriftstellers Bazon Brock (26 J.). Wie weiland Diogenes in sein Faß, hat er sich zwischen Betonrahmen zurückgezogen und protestiert in Frankfurt gegen die Westentaschenformate im deutschen Buchhandel., Bild: Aktion "Das Blätterbuch - Gymnastik gegen das Habenwollen", Frankfurter Buchmesse, Oktober 1962 © AP.
Vereidigung Bazon Brocks als Professor für Ästhetik/Gestaltungstheorie, Bild: Durch Rektor Johannes Spalt. Hochschule für angewandte Kunst, Wien, 1977.
Vereidigung Bazon Brocks als Professor für Ästhetik/Gestaltungstheorie, Bild: Durch Rektor Johannes Spalt. Hochschule für angewandte Kunst, Wien, 1977.
Vereidigung Bazon Brocks als Professor für Ästhetik/Gestaltungstheorie, Bild: Durch Rektor Johannes Spalt, Hochschule für angewandte Kunst, Wien, 1977.
Vereidigung Bazon Brocks als Professor für Ästhetik/Gestaltungstheorie, Bild: Durch Rektor Johannes Spalt, Hochschule für angewandte Kunst, Wien, 1977.
Vereidigung Bazon Brocks als Professor für Ästhetik/Gestaltungstheorie, Bild: V.l.n.r.: Karla Fohrbeck, Oswald Oberhuber, Bazon Brock, Johannes Spalt (Rektor). Hochschule für angewandte Kunst, Wien, 1977.
Vereidigung Bazon Brocks als Professor für Ästhetik/Gestaltungstheorie, Bild: V.l.n.r.: Karla Fohrbeck, Oswald Oberhuber, Bazon Brock, Johannes Spalt (Rektor). Hochschule für angewandte Kunst, Wien, 1977.
Collage von A.S. Schroeder, ca. 1967, Bild: Mach mal Pause.
Collage von A.S. Schroeder, ca. 1967, Bild: Mach mal Pause.

siehe auch: