Waltraud Pohlentz reagierte mit einer bemerkenswerten Aktion auf die Bilder von Migrantenströmen, die durch Europa ziehen. Statt der Menschen ließ sie Böden wandern. Ein halber Quadratmeter Rasen wurde von Linnich (bei Aachen) in die Toskana verpflanzt. Im Austausch gelangte das dort ausgehobene Rasenstück nach Linnich. Nach der Wanderbewegung kontrollierte die Künstlerin den Fortgang der Integration der pflanzlich-tierischen Lebensgemeinschaften in eine ihnen völlig fremde Umgebung. Im Unterschied zu den Verpflanzungen von Menschen in fremde Lebenszusammenhänge paßten sich die ausgetauschten Rasenflächen schon nach kurzer Zeit vollständig ein. Die Aktion spielt auch auf die merkwürdige Gewohnheit selbst heutiger Touristen an, Teile des geliebten Urlaubslandes nach Hause zu verfrachten. „Eine persönliche Erfahrung ist, daß ich, als ich einmal eine Etage bewohnte, in einem Laden für Geld Erde in Tüten kaufen mußte, um einigen Pflanzen aus meinem früheren Garten auf dem Balkon in Töpfen eine neue Heimat zu geben. Wie pervers es ist, Erde zu kaufen, ist mir hier fast noch stärker bewußt geworden, als beim Kauf eines Grundstückes, das ich lieber gepachtet hätte, weil uns ein Stück Erde nicht genauso gehören sollte wie ein Buch oder Fahrrad.“ (Klaus Meyer-Abich: Seßhaft werden, das wäre eine gute Sache, in: Erde – Zeichen – Erde. Textband zur Ausstellung, 1992)
Abbildungen:
S. 96: Mémoire nomade (Namen und Steine), Tom Fecht, 1992.
Zur documenta IX 1992 in Kassel stellte der Künstler Tom Fecht den Besuchern des Fridericianums eine merkwürdige Aufgabe: Um die Stufen zum Portikus hinaufzusteigen, mußten die Besucher über ein Feld von Pflastersteinen schreiten, in deren sichtbare Oberflächen Namen eingemeißelt waren – Namen jener künstlerisch Tätigen, die an Aids gestorben waren. An weiteren Orten wie Bonn oder Saarbrücken wurden ähnliche Memoriale ins Pflaster eingelassen. Das Konzept verwirklichte die Sehnsucht der Menschen, Spuren ihres Lebens zu hinterlassen, auf sprechende Weise. Diese Namensspuren auf den Wegen der Lebenden werden zu Fußspuren der Toten, in die die Lebenden treten. Die beschrifteten Steine wurden so eng gesetzt, daß es unmöglich ist aufzutreten, ohne auch nur eine der Namensinschriften zu berühren. Die natürliche Berührungsscheu des Menschen wandelt sich zu einem ganz bewußten Akt der Nachfolge als Mahnung und Ehrung.
S. 98/99: Teppichboden [Vorwerk], „Flower Edition“, Klaus Fußmann, 1998.
„Sieh dich um in deinem Gärtchen, sind die nachbarlichen Mauern nicht grün behangen, und so schön von der Natur bewirkt, daß man die Festungsmauer ringsum nicht wahrnimmt? Willst du mehr als diese augenstärkende, herzerfrischende grüne Tapete? Das Grasstück Wiese, und diese lebendige Wand, Wald; was hat die Erde herrlicher?“ (Theodor Gottfried von Hippel, Der kleine Garten, 1781)