Buch Ästhetik als Vermittlung

Arbeitsbiographie eines Generalisten

Ästhetik als Vermittlung, Bild: Umschlag.
Ästhetik als Vermittlung, Bild: Umschlag.

Was können heute Künstler, Philosophen, Literaten und Wissenschaftler für ihre Mitmenschen leisten? Unbestritten können sie einzelne, für das Alltagsleben bedeutsame Erfindungen, Gedanken und Werke schaffen. Aber die Vielzahl dieser einzelnen bedeutsamen Werke stellt heute gerade ein entscheidendes Problem dar: Wie soll man mit der Vielzahl fertig werden?

Das Publikum verlangt zu Recht, daß man ihm nicht nur Einzelresultate vorsetzt, sondern beispielhaft vorführt, wie denn ein Einzelner noch den Anforderungen von Berufs- und Privatleben in so unterschiedlichen Problemstellungen wie Mode und Erziehung, Umweltgestaltung und Werbung, Tod und Geschichtsbewußtsein, Kunstgenuß und politischer Forderung gerecht werden kann, ohne als Subjekt, als Persönlichkeit hinter den Einzelproblemen zu verschwinden.

Bazon Brock gehört zu denjenigen, die nachhaltig versuchen, diesen Anspruch des Subjekts, den Anspruch der Persönlichkeit vor den angeblich so übermächtigen Institutionen, gesellschaftlichen Strukturen, historischen Entwicklungstendenzen in seinem Werk und seinem öffentlichen Wirken aufrechtzuerhalten. Dieser Anspruch auf Beispielhaftigkeit eines Einzelnen in Werk und Wirken ist nicht zu verwechseln mit narzißtischer Selbstbespiegelung. Denn:

  1. Auch objektives Wissen kann nur durch einzelne Subjekte vermittelt werden.
  2. Die integrative Kraft des exemplarischen Subjekts zeigt sich in der Fähigkeit, Lebensformen anzubieten, d.h. denkend und gestaltend den Anspruch des Subjekts auf einen Lebenszusammenhang durchzusetzen.

Die Bedeutung der Ästhetik für das Alltagsleben nimmt rapide zu. Wo früher Ästhetik eine Spezialdisziplin für Fachleute war, berufen sich heute selbst Kommunalpolitiker, Bürgerinitiativen, Kindergärtner und Zukunftsplaner auf Konzepte der Ästhetik. Deshalb sieht Bazon Brock das Hauptproblem der Ästhetik heute nicht mehr in der Entwicklung von ästhetischen Theorien, sondern in der fallweisen und problembezogenen Vermittlung ästhetischer Strategien. Diese Ästhetik des Alltagslebens will nicht mehr ‚Lehre von der Schönheit‘ sein, sondern will dazu anleiten, die Alltagswelt wahrnehmend zu erschließen. Eine solche Ästhetik zeigt, wie man an den Objekten der Alltagswelt und den über sie hergestellten menschlichen Beziehungen selber erschließen kann, was sonst nur in klugen Theorien der Wissenschaftler angeboten wird. Solche Ästhetik zielt bewußt auf Alternativen der alltäglichen Lebensgestaltung und Lebensführung, indem sie für Alltagsprobleme wie Fassadengestaltung, Wohnen, Festefeiern, Museumsbesuch, Reisen, Modeverhalten, Essen, Medienkonsum und Bildungserwerb vielfältige Denk- und Handlungsanleitungen gibt. Damit wird auch die fatale Unterscheidung zwischen Hochkultur und Trivialkultur, zwischen Schöpfung und Arbeit überwunden.

Erschienen
1976

Autor
Brock, Bazon

Herausgeber
Fohrbeck, Karla

Verlag
DuMont

Erscheinungsort
Köln, Deutschland

ISBN
3-7701-0671-7

Umfang
XXXI, 1096 S. : Ill. ; 25 cm

Einband
Lw. (Pr. nicht mitget.)

Seite 1042 im Original

Band V.Teil 4.3 Hört mal, horch, horch – Oh mein Gott – Susi!

Bazon Brock als Disc Jockey

Funksendung für den Sender Freies Berlin, 22.4.1968. Hier tauchen viele Elemente aus dem Action-teaching der sechziger Jahre auf und aus der Rubrik 'Bazon Brock. Ein Kritiker dessen, was es noch nicht gibt' (vgl. Band IV, Teil 2 B, 1). Diese Sendung ist mehr als 'Wiedererkennen' von inzwischen geläufigem Assoziationismus zu genießen. Der scheinbar wüste Haufen von Einfällen ohne Struktur enthält zahlreiche Einzelbeispiele des öffentlichen Verstandes, die wir aus den anderen Brock-Arbeiten kennen: 'Steif Knopf im Ohr', 'Die Nullpunktchance', 'Sex, der kleinste gemeinsame Nenner – ein Modell der Versöhnung', 'Literaturbleche', 'Kurzes Einüben in den Wennfall', 'Die Tauben-Aktion von der Frankfurter Hauptwache …' und einige neue Einfälle zum inszenierten Thema, bevor der Autor zurückvermittelt zu den Musikplatten, „aus diesen unerfreulichen Dingen des öffentlichen Verstandes wieder zurück in das, was uns alle immer wieder rettet: die liebe nette Sphäre der Privatheit“, zu deren Hintergrunderfüllung die Normal-Kunst beiträgt.

Da ist ja unser Kleiner wieder, der mit seinen zärtlichen Händchen die Steine den Berg raufschleppt, die wir gerade voller Mutwillen runtergeworfen haben. Nun, das macht er aber sehr gut und schon Tausende von Jahren, und wir haben immer noch nicht die Schnauze davon voll. Jedes Frühjahr dasselbe; die Blüten kommen hervor, es knallt an jeder Straßenecke, jeder Kirschbaum fühlt sich erhaben über uns, wenn er sein bißchen Gelb und Weiß und Rot mischt und uns unter die Nase hält. Lassen Sie sich nicht unterkriegen! Nehmen Sie Omo! Gehen Sie in die Natur! Waschen Sie Ihren Kirschbaum rein, denn wir müssen die Oberhand behalten!

The FUGS: Kill for peace
Wahrlich, es ist kein Symbol mehr unserer Situation, das uns da aufgeschwätzt werden sollte im Sisyphus. Und auch das Lied der FUGS zu den Corso-Texten von "kill, kill, kill for peace", bringt die Leute um, damit wir in Frieden leben können, sind keine Kennzeichnungen unserer Situation, sie sind nur Kennzeichnung unserer Verkommenheit. Aber die Zeit ist günstig, die Verkommenheit zu vergessen. Der Winter, in dem wir mit "Hurra" ins Bett steigen, hat sich langsam zurückdrängen lassen. Wir sitzen draußen und halten unsere feuchten Fußsohlen in den Wind.

Dennoch-Künstler. Wir wissen, was für eine Schweinerei um sich geht und sind dennoch Künstler. Wie diese Einbeinigen, wie diese Ohnbeinigen, wie diese Ohnarmigen mit ihren Postkärtchen, auf denen steht: mit dem Kopfe gemalt, mit dem Munde gemalt, mit dem Fuße gemalt – Dennoch-Künstler. Ein wenig wie alles, was in diesen Tagen passiert ist – umsonst. Fast oder ganz umsonst.

Es setzt das Frühlingsdenken ein, das Sommerdenken, dann Herbstdenken, Winterdenken. Ein tatsächlicher Hinweis darauf, daß es so etwas gibt, eine Unterscheidung, die aus unserer Naturbestimmtheit kommt. Im Frühling zu denken, im Sommer gibt's schon einen leisen Hinweis darauf, daß es nicht mehr notwendig wäre, so zu denken; nicht mehr notwendig wäre, sich mit diesen Schweinereien abzuplagen, während der Winter uns noch an jeder Straßenecke und durch jede kalte Fußsohle hindurch die Notwendigkeit unseres Kampfes gegen die Natur bewußt macht. Sommerdenken, die Notwendigkeit der Befreiung aus diesem Kampfe, der uns aber doch zurückbringt ins Bäng Bäng. 

VANILLA FUDGE: Bäng Bäng
Es ist von mehreren Behörden mitgeteilt worden, daß Delinquenten anstelle der letzten Zigarette nunmehr auch ihre letzte Schallplatte hören können. Eine humane Methode, scheint mir, da es inzwischen sehr viele Nichtraucher gibt, die aber dennoch hören können. Zumeist ist es zu spät dazu, denn in das, was wir mit Kinderzungen als "bäng bäng" bezeichnen, kommt kaum noch die Assoziation zum wirklichen Sterben, zu dem, was uns ein Ende setzt. Wie Otis ein Ende gesetzt wurde. Otis REDDING , der mit seinem 'Dacotadrive' in den Ladogasee stürzte. Ich habe ihn blau auf den Fußboden aufgemalt, habe dann zwei Studenten auf den Tisch gestellt und sie von oben herabspringend mit den Zehen zuerst, festgehalten an einem Gürtel, in den See eintauchen lassen. Wir haben Otis nicht wiedergefunden - die Badewanne war zu flach.

Otis REDDING: Respect
Ich glaube, wir machen uns keines Sakrilegs schuldig, wenn wir auch in diesen Tagen unter dem Stichwort "welche Lieder singt die Revolution und welche Platten hört der Revolutionär" den Zeithobel ansetzen und von unserer Stange wieder ein Stündchen runterhobeln mit den netten Platten aus dem SFB.

Ganz Deutschland eine einzige, riesengroße Discscheibe und der liebe Gott, der aus den Wolken weich und wattig seinen langen Arm herunterstreckt, einen spitzen Fingernagel in die Rille setzt und unter irrsinnigem Quietschen und Kreischen durch die deutsche Landschaft fährt. Und jedesmal, wenn sein Fingernagel einem unserer Kumpel durch die Visage zieht, gibt es das bekannte Rillenratschen.

Es ist nicht Übermut und es ist nicht Ohnmut, Ohnmacht, die uns auf solche Probleme ansetzt. Es sind Hinweise, die hier im Raum durch Pieksen mit Stecknadeln, durch das Geflunker der Damen, die die Maschinen bedienen, entstehen. Und eben hatten sie mir hier so auf den Sitz eine komische Wattebauschveranlagung gesetzt. Ich krame und krame und krame und denke, die wollen mich aufmerksam machen auf das Märchen von der Prinzessin auf der Erbse, und als ich so zwei Meter durch die Watte durch bin und Schaumgummi, kuck ich runter und habe dann einen abgeschlagenen Kopf unter meinem Hintern gehabt, und keiner wußte, wo der herkommt, und plötzlich hat da jemand gelacht und er schlug da diese RDE-Enzyklopädie auf, und da war die Geschichte von dem Swetonen drin; wie ein Soldat seinem Cäsaren, dem Kaiser, die Rübe abhackt, um zum neuen ausgerufenen Herrscher den Kopf zu tragen. Und dieser Cäsar hatte eine Glatze. Nun war es damals Sitte, daß man eben den abgeschlagenen Kopf an dem Haarschopf anfaßte und dann zum neuen Herrscher trug. Da der Glatzkopf also diese Möglichkeit des Transports nicht bot, hat der Soldat, wie Sweton beschreibt, also seine zwei Finger, Zeigefinger und Mittelfinger, dem Cäsar in die Nase gebohrt, den Daumen in den Mund und so trabte er dann munter 50 Kilometer ins neue Feldlager, um dem Cäsar seine Großtat, mit dem nötigen Hinweis auf Belohnung, zu unterbreiten.

Aber aus diesen unerfreulichen Dingen des öffentlichen Verstandes zurück in das, was uns alle immer wieder rettet: die liebe, nette Sphäre der Privatheit, wo wir ganz unter uns sind; wo man ganz aus vollem Herzen und ohne abgehört zu werden, noch stöhnen und schreien kann, wie es einem Spaß macht.

Stan FREEBURG: Marcha
Das war Vater Stan FREEBURG. Er ist der Autor des Textes und hat auch den männlichen Part in diesem erfreulichen Duett abgegeben. Sie wissen ja, wie das ist. Wir müssen streng trennen zwischen Autoren und ihren Geschöpfen, obwohl wir natürlich gerne manchmal mogeln und so tun als ob. Ich habe das neulich auch getan.

Es gibt eine Methode, meiner Ansicht nach, die sehr einfach ist, um die Effektivität dieser Trennung und damit auch die Effektivität der künstlerischen Arbeit nachzuweisen. Ich habe 1962 eine lange Liste gemacht mit dem Vorspruch: die Avantgarde stürzt und ergibt sich nicht, auf der gefordert wurde, daß die und die und die Persönlichkeiten nun endlich abzutreten hätten. Und ich kann Ihnen versichern, darin liegt nämlich der Nachweis der künstlerischen Effektivität, daß bereits heute, kaum sechs Jahre später, 75 Prozent der dort angeführten Herrschaften abgetreten sind. Ich glaube kaum, daß jemand aus einer anderen Praxis (nicht aus der ästhetischen Praxis) eine derartige Effektivität seiner Arbeit bisher nachweisen konnte.

The JIMI HENDRIX EXPERIENCE: Bold as love
Wir sind rechte Puristen hier. Peter! Peter, wo ist die Eisenbahn? Wie? Oh je, jetzt hab' ich es mir gedacht, daß die Platte wieder nicht da ist. Ich hatte Ihnen nämlich eine Rarität mitbringen wollen, auf die sich auch Jimi HENDRIX in diesem Lied bezieht, 'Bold as love'. Jemand, der Liebeskummer hat, wählt ja heute immer noch eine der bevorzugten Arten, sich nach draußen zu befördern: den Tod vor der Eisenbahn. Wir haben ein kleines Unternehmen angeheuert, das Ihnen am Kilometerstein 27,5 westlich Hoechst mit einem Mikrophon bewaffnet auflauert und Ihren letzten Schrei inc1usive der quietschenden Bremsgeräusche des schnell reagierenden Lokomotivführers und seiner Maschine übermittelt, so daß Sie, im Unfallkrankenhaus aufgewacht, als erstes dieses wunderschöne, Ihr Leben bewahrende und alles nur zum Schein degradierende Geräusch wahrnehmen.

Ja, alles zum Schein degradiert. Das ist es, was wir hier tun und das wollen wir auch nicht hinwegfegen. Es ist jolly – od – sweet – gloove und caobit oder Poesie. Sie wissen, diese herrlichen Kreationen: Triumph model lyrik – fleur und lux – dekor rose – amouret – fee. Es ist dieses sich immer wiederholende, dieses gleichbleibende, dieses Versuchen im Hinblick auf das Scheitern, das Höhlenmenschliche – stete Tropfen höhlen den Stein –oder das Steinschleuderische – kaputthauen, abwälzen, abbrechen. Hinterher ziehen sich dann die Parteien ins Gebüsch zurück, bestenfalls versammeln sie sich noch einmal, reichen die Hand einander und fangen wieder an zu beten.

The FUGS: Hare Krishna
Aufhören, aufhören! Ihr Idioten! Tut etwas! Sitzt nicht da wie die Affen und wartet darauf, daß ich euch von oben den Pißpott über den Kopf gieße, daraus wird nichts. Auch wenn so fabulöse Geister wie GINSBERG und CORSO dabei sind, wie in dieser Aufnahme der FUGS. CORSO spielt übrigens das Harmonium und GINSBERG ist der Vorbeter.

Es nützt nichts, es hat keinen Zweck. Darüber müßt ihr euch klar sein. Dennoch ist man allen Versuchen, die Dir gegenüber gemacht werden, immer erneut von der gleichen freudigen und kindlichen Erwartung erfüllt, es könnte ja doch. Und in diesem "es könnte ja doch" begegnen uns täglich unsere eigenen eingestandenen Dummheiten, die uns ein bißchen traurig machen und die uns manchmal, wir üben es heute auch in diesem Diskurs, zur Auswahlmethode unserer Platten verholfen haben.

Wir haben einfach eine Reihe der leitenden Herren dieser Anstalt hingestellt, Ortspolitiker, stadtbekannte Persönlichkeiten und ihnen die Platten um die Ohren geschlagen. Diejenigen Platten, die dabei nicht zerbrachen, waren die Hittitel dieser Woche, die Sie in unserer Sendung hören. Darunter war auch, und das scheint mir doch vielleicht ein kleiner Hinweis zu sein, die Aufnahme der FUGS vom 21.10.67, als sich die FUGS in einer Gruppe von Leuten, die zu ihnen gehören, um das Pentagon versammelten, einen Kreis bildeten und versuchten, durch Elevationsbeschwörungen das ganze Gebäude, den ganzen Spuk hinwegzufegen. Hören Sie, wie sie es trieben:

The FUGS: Exorcising the evil spirits from the pentagon October 21, 1967
in the name of all those pigeons of the Frankfurt/Main Station, woselbst nämlich die Stadtverwaltung auf die Simse spitze Nägel gesteckt hat, um die Tauben daran zu hindern, sich auf die Simse zu setzen und das Gebäude vollzuscheißen. Und so kommen nun jeden Tag die Tauben im Sturzflug vom Himmel hernieder und spießen sich selber auf die spitzen Nägel auf. Und jeden Morgen um sechs Uhr kommt der Chefkoch des Restaurants im Hauptbahnhof, sammelt die Tauben ein, und alle Leute, die ihren Zug verpassen, müssen mittags diese Tauben samt dem ganzen Gift, das sie in sich haben, fressen. Nu ja. 

Laßt sie nur so weitermachen; wir haben hier ein Kabinettstückchen der Bosheit der Intelligenz vorbereitet, der Niederträchtigkeit der deutschen Intelligenz. Wir haben nämlich heute morgen den Hund von diesem verflixten FernsehLEMBKE geschafft. Sie kennen doch dieses Vieh, das dauernd im Fernsehen herumturnt. Hier ist er; hören Sie mal: Herr Sanders öffnet nämlich jetzt sein Portemonnaie, holt einige kleine Fleischstückchen heraus und schon schnappt der Köter zu.

Meine Damen und Herren! Wir befinden uns jetzt in Kapstadt im Groote-Schuur-Krankenhaus, in dem Operationssaal dieses weltberühmten Krankenhauses. Professor BARNARD selbst beugt sich soeben über den kostbaren Körper des lembkischen Hundes. Die ganze Deutsche Nation ist nämlich wie ein Mann aufgestanden, hat einen langen Zug formiert und ist dann von Berlin über Frankfurt, Mailand, Sizilien, Nordafrika durch Zentralafrika marschiert. Ein langes Schlänglein, ein Mannbaum, eine große Konfession von 50 Millionen Deutschen, die, Herr BOENISCH und Herr SPRINGER voran, das Tier LEMBKEs tragend, in Kapstadt heute morgen angekommen sind, wo eben jetzt Professor BAR;NARD das Skalpell in den Brustkorb des lembkischen Hundes rammt, um das Tier in einer großartigen Leistung wieder zurück zum Fernsehliebling des deutschen Durchschnittsmenschen zu befördern. Ich glaube allerdings, und darin liegt natürlich das insgeheim von uns Gedachte, das Ausgeheckte, daß diese 50 Millionen in der Wüste Afrikas allen Verstand verloren haben, nicht mehr zurückfinden und wir nun hier in der Bundesrepublik von vorne anfangen können, wie wir uns immer das gewünscht haben.

Was Sie soeben hören, meine Damen und Herren, dient der Imagebildung. Wir wollen durchaus dem entsprechen, wofür das Volk uns hält. Und nach einer solchen Tirade soll uns angeblich der Geifer die Lefzen hinunterrennen. Das haben wir soeben vollzogen.

Übrigens gibt es in England eine Dame, die, ehemals Deutsche, dorthin ausgewandert ist, die 20 verschiedene Hunderassen durch Bellen imitieren kann. Ich bin dafür, daß wir diese Dame zurückholen und zur Göttin der deutschen Vernunft erheben. Vor ihr will ich meinen Hut ziehen; wie das jetzt die PROCOL HARUMs tun, take off your homburg.

PROCOL HARUM: Take off your Homburg
Ach ja, na. Hier sind wir wieder in der Abteilung: die Reaktion marschiert, wenns nötig ist, auch nackt – who dares who cares – damit fängt man Mäuse. Das soll übrigens eine Biographie von Herrn ABS gewesen sein, hat man den PROCOL HARUMs nachgesagt. Es ist ja ein blöder Witz, Mensch, laß dich begraben.

Übrigens habe ich auch bei der Fernmeldeleitstelle den Antrag gestellt, mir in mein zukünftiges und schon bestimmtes Grab ein Telefon zu legen. Ich möchte gern die Frankfurter Nummer 77 26 35 mit nach unten nehmen. Ich bin gespannt, was daraus wird .. Bisher habe ich noch keine Antwort und muß mich mit Dionne WARWICK vorbereiten auf die Horizontale. Allerdings auch wieder nur mit Dionne einer vorläufigen Horizontale, ein Einüben, ein kurzes Exerzieren des Wennfalles, des Todes. Wenns denn so sein soll. In diesem Sinne verstehen wir natürlich alle schon die Liebe als einen kleinen Vorgriff auf die letzthinnige Vernichtung unserer Existenz. Jeder Liebhaber ist sofern ein potentieller Mörder als Agent der Gesellschaft. Er schafft uns, er legt uns um. Und wenn wir lieben, dann sind wir ready for heartbreak. 

Dionne WARWlCK: Ready for heartbreak
Au wei. Im Auto haben die es getrieben. So war es natürlich nicht gemeint. Das ist unmöglich. Leute, wenn Ihr da sitzt, die Sendung hört und zufällig fahrt und den Rücksitz zurückgeklappt habt, achtet darauf, alles, was hier gesagt wird, ist nicht wörtlich zu nehmen. Ausdrücklich betone ich es nochmal im Hinblick auf den lembkischen Hund. Denn sonst steigt man uns hier aufs Dach, das natürlich diese Belastung nicht aushalten würde, auch wenn der Intendant noch so starke Arme hat. Wir wollen die Werbung nicht vergessen inzwischen. Zur Vorbereitung des zu erwartenden Aktes:
Blumenmutter geht spazieren
Blumensohn knickt nach unten ab
Samenvater konsultieren
Dann blühen Blumen überm Grab

Auch über deinem, Dionne, solltest du es ernst gemeint haben. Ich habe auch noch andere Formen der Denkmalspflege ersonnen. Achtzig Meter hohe Buchstaben werden, in langen Schleifen den Autobahnen folgend, sich durch Deutschland ziehen mit den schönsten Sätzen NIETZSCHEs; Fremdenführer zu den schönsten Sätzen Wilhelm HAUFFs oder HEGELs oder MARCUSEs, ganz besonders. Und dann und wann und hier und da in einem Vorgarten, an einer Hauswand, ein zwei mal drei Meter hoher Zementsockel oder eine Marmorplatte, auf denen einfach steht:
Liebe Huss! Komme gleich wieder. Versehentlich
habe ich den Topf rausgestellt. Laß Dirs nicht an-
merken. Ich bringe zur Versöhnung was Schönes
mit. Dein Bazon.

Gewohnt, an Häusern den bronzenen oder marmornen Hinweis zu lesen, daß hier und dort GOETHE und LENIN gewohnt und gearbeitet haben, geboren und gestorben sind, überraschte mein Vorschlag, die alltäglichen Hausbewohner möchten in Bronze oder Marmor an ihren Häusern, in ihren Gärten veröffentlichen, was sie selber (und nicht die großen Namen) als dort wohnend, lebend, arbeitend, sterbend ausweist. Für die Wohnung Hans-Sachs-Straße wurde die Gedenktafel:
"Liebe HUSS, komme gleich wieder. Versehentlich habe ich den Topf kaputtgemacht. Laß' es Dich nicht verdrießen. Ich bringe zur Versöhnung etwas Schönes mit. Dein Bazon" verfaßt. 1968

Das alles in Zement, in großen Buchstaben und zur Überlieferung ins fünfte nachchristliche Jahrtausend. Von so einer Überlieferung spricht SPECKLED RED, der rotgesichtige, rotfleckige Pianist aus den vierziger Jahren, der sein Leben Revue passieren läßt.

SPECKLED RED: Memorium
Jaja, die gute alte Zeit. Auch diese beiden Pferde sind inzwischen garantiert tot, und trotzdem hören wir sie immer noch über die Pflastersteine ziehen. Was ist doch der Rundfunk für eine segensreiche Einrichtung. Die gute alte Zeit; diese Beschwörung eines Mannes, den wir durchaus lieben, den aber doch sein Alter nicht vor Torheit schützt, vermag uns nichts anzuhaben.
Wir stehen hier
Wir stehen hier heute
Wir wollen hier heute stehen
Und auch hier heute noch stehen bleiben
So tief darf man natürlich nicht ausatmen, Luzifer Zen. Luzifer Zen, Herbert WEHNER, er hat auch zu tief ausgeatmet. Zu tief ausatmen auch die FRESH CREAM. Sie stellen die gleiche, unheilige Betrachtung nach rückwärts an. Warum diese Aufregung, es hilft ja nichts und worum gehts schließlich? Um nichts, man träumt ein bißchen von seinem Leben und dann kann man sich zufrieden geben, daß man auch dabei war. Das hilft wenig. Seht das Beispiel Herbert WEHNERs, es sollte alle abschrecken! Laßt die FRESH CREAM ihm sein Geburtstagsständchen singen.

FRESH CREAM: Dreaming
Dreaming one‘s life away. Anker ab - Stuhlgang der Flotte - wir sitzen fest, wir sitzen auf dem Sand. Das Ende, Mister Fantasy, der Dichterheros, der uns allen hilft, im Sommer mit undurchschwitzten Hemden durchzukommen, der uns ein sauberes, wohlausgesägtes Gesichtchen verleiht. Mister Fantasy, der mit dem Bunsenbrenner, wenns nötig ist, uns die Haare schneidet und des öfteren auf kleinen schwingenden Federbettchen mit uns den Überschlag nach hinten probt. Salto Mortale für Mister Fantasy gespielt von den TRAFFIC.

The TRAFFIC: Mister Fantasy
Ich kanns doch noch nicht lassen. Ich komm nochmal zurück. Melde mich noch einmal mit - wie Ihr wißt, AFN hören, viel besser, als die deutschen Sender. Wir sitzen hier in der Kohlenkiste. Und während gerade die Redakteure der F AZ, Abteilung Feuilleton, den Arbeitern, wie sie schreiben, die schwieligen und kräftig zuhauenden Hände küssen; während die Deutsche Nation die Progression der Treue zum Betrieb übt, etwa:
steif, Knopf im Ohr
steif, Finger in der Nase
steif, Schwänze in den Bauch
steif, Leiche im Sarg
thront über allem goldumrandet, eingehüllt in unsere besten Wünsche, eingewickelt in die kleinen roten Fädchen, die wir aus einer Rückendrüse abdrücken, Andy W ARHOL, er gibt uns den Treffpunkt für den nächsten Sonntag, 42. Straße, kommt alle, next sunday morning.

VELVET UNDERGROUND: Sunday morning

Gewohnt an Häusern den bronzenen oder marmornen Hinweis zu lesen, daß hier und dort Goethe und Lenin gewohnt und gearbeitet haben, geboren und verstorben sind, überraschte mein Vorschlag, die alltäglichen Hausbewohner mögen in Bronze oder Marmor in ihren Häusern, in ihren Gärten veröffentlichen, was sie selber (und nicht die großen Namen) als dort wohnend, lebend, arbeitend, sterbend ausweist. Für die Wohnung Hans-Sachs-Straße wurde die Gedenktafel "Liebe Huss, komme gleich wieder. Versehentlich habe ich den Topf kaputt gemacht. Laß' es dich nicht verdrießen. Ich bringe zur Versöhnung etwas Schönes mit. Dein Bazon" verfaßt., Bild: Frankfurt 1968 © Melusine Huss.
Gewohnt an Häusern den bronzenen oder marmornen Hinweis zu lesen, daß hier und dort Goethe und Lenin gewohnt und gearbeitet haben, geboren und verstorben sind, überraschte mein Vorschlag, die alltäglichen Hausbewohner mögen in Bronze oder Marmor in ihren Häusern, in ihren Gärten veröffentlichen, was sie selber (und nicht die großen Namen) als dort wohnend, lebend, arbeitend, sterbend ausweist. Für die Wohnung Hans-Sachs-Straße wurde die Gedenktafel "Liebe Huss, komme gleich wieder. Versehentlich habe ich den Topf kaputt gemacht. Laß' es dich nicht verdrießen. Ich bringe zur Versöhnung etwas Schönes mit. Dein Bazon" verfaßt., Bild: Frankfurt 1968 © Melusine Huss.

siehe auch: